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Marketing – Ginge es auch ohne?

Es wäre doch so einfach: Auf der einen Seite haben wir alle unsere Bedürfnisse und auf der anderen Seite produzieren wir Güter und bieten unsere Dienstleistungen an, um genau diese Bedürfnisse zu stillen.

So bestellen beispielsweise unsere Bauern übers Jahr die Äcker, säen Getreide und Gemüse, pflanzen Kartoffeln, schneiden die Obstbäume, pflegen ihre Kulturen bis zur Reife und fahren dann die Ernte ein. So finden wir beim Landwirt dann auch einen grossen Teil dessen, was wir an Grundnahrungsmitteln benötigen.

Dies ist der ideale, weil einfachste und ressourcenschonendste Weg, wie ein Bedürfnis gestillt werden kann. Und wenn sich die Bäuer:innen mit ihren Direktverkäufen zudem an die Bedürfnisse ihrer regionalen Abnehmer:innen in Menge und Vielfalt angleichen und sie vielleicht sogar im Rahmen einer Solidarischen Landwirtschaft (Solawi) in die Produktion miteinbeziehen, dann haben wir hier eine einzigartige Win-Win Situation.

Es geht auch direkt

2020 verkaufte jeder vierte Bauernbetrieb (26%) Produkte direkt ab Hof – 10 Jahre zuvor betrug dieser Anteil nur 12%. Das ist die gute Nachricht: Es geht auch einfach, also ohne Umwege, um ein Bedürfnis punktgenau zu befriedigen.

Aber neben Rüebli und Kartoffeln, Äpfel und Birnen werden in unserer Welt auch ganz viele Dinge hergestellt, welche keinem direktem Grundbedürfnis entspringen. Produkte, welche wir in dieser Vielfalt vielleicht gar nicht bräuchten oder auf welche, wenn wir ehrlich sind, niemand gewartet hat.

Immer neue Dinge…

Jährlich kommen allein in der Lebensmittelbranche 40’000 neue Produkte auf den Markt. Die Motivation eines Unternehmens immer wieder neue Dinge zu erfinden oder jährlich neu aufzulegen, ist v.a. auch der Herausforderung geschuldet, stetig genügend Umsatz zu generieren.

Das betrifft das geniale Startup mit seiner idealistischen Geschäftsidee in gleicher Weise, wie die im marktwirtschaftlichen Überlebenskampf erprobten und etablierten Unternehmen.

Neben wenigen einzigartigen Dingen, tummeln sich am Markt so auch tausende Varianten ein und desselben Produkts, jedes jeweils mit anderen Vorzügen. Das ermöglicht vielen Unternehmen, auch wenn sie grundsätzlich das Gleiche – beispielsweise Handys, Staubsauger, Autos oder Uhren – herstellen, trotzdem eine Käuferschaft zu finden.

…oder doch Gebrauchte?

Immer mehr Menschen möchten es aber auch ganz anders: Sie decken sich lieber in der Brockenstube, im Secondhandshop oder beim Gratis-Zum-Mitnehmen-Lager ein, bringen ihr liebgewonnenes Handy, Radio oder den Staubsauger zum Flicken ins Repair-Kaffee oder lehnen sich, für die Renovation, die benötigten Werkzeuge in der Leihstube oder vom Nachbarn aus.

Keine gute Idee für die Wirtschaft

Weil die Wirtschaft aber auf ein stetes Wachstum angewiesen ist, ist dies keine so gute Idee. Was definitiv nicht passieren darf in unserer Gesellschaft, ist, dass es niemand mehr geil findet, all die unzähligen neu hergestellten Güter auch zu kaufen.

Die Regierung müsste wohl spätestens dann Tacheles mit seinen Bürgern reden, wenn, trotz staatlicher Interventionen (z.B. “Kaufkraftstärkung”), der Wirtschaftsmotor nicht in Schwung kommt. „Liebe Bürger:innen“, müsste es dann heissen, „entweder ihr kauft jetzt wieder all die produzierten Dinge und konsumiert, was auf den Markt kommt, oder eurer Wohlstand, eure Arbeitsplätze und die geplanten Ferienreisen gehen flöten.“

Marketing sei Dank

Dass es keine staatliche Ermahnung der Bürger:innen braucht, damit die unzähligen, sinnvollen oder sinnfreien oder in der x.-Auflage „verbesserten“ Produkte, gekauft werden, ist – dem Marketing zu verdanken! 

Nicht umsonst wurden in der Schweiz allein im Jahr 2022 4,3 Millarden Franken in die Werbung gesteckt.

Wenn Geld der Treibstoff, dann ist Marketing das Schmieröl der Märkte. Werbung ist deshalb allgegenwärtig. Wir begegnen ihr bei der Internet-Suche auf Google & Co, beim Video streamen auf Youtube und beim Chatten auf Facebook, Instagram und Tiktok.

Und natürlich haben wir uns auch beim Fernsehen und Radiohören an die Werbeblocks gewöhnt – oft genutzt als praktische Pinkelpausen.

Überall Werbung ist normal?!

Unsere Briefkästen werden verstopft von Werbebriefen und -Katalogen und an Bahnhöfen prangt Werbung bestens platziert an Plakatwänden und gut sichtbar auf Werbebildschirmen. Aufwändig inzeniert erleben wir Werbespots auf Kinoleinwänden und an den Banden von Sportveranstaltungen. Und wir finden Promotionsstände an Musikfestivals genauso selbstverständlich, wie die Durchsagen zu aktuellen Angeboten, Produkten und Aktionen in jedem Warenhaus.

Werbung ist fester Bestandteil unseres Lebens. Ja, wir kommen ohne sie gar nicht mehr aus. Denn Werbung muss es am Schluss richten: Fehlen Werbesponsoren, dann gibt es keine Grossevents mehr, wie Musikfestivals, Eidgenössische Schwingfeste, Fussball-Weltmeisterschaften, Grandslams und vielleicht sogar Olympische Spiele. Und Sportclubs müssten ohne Sponsoren wohl ihre Stadien dicht machen.

Ohne Werbung kein Sport?

Gerade im professionellen Sport ist Werbung omnipräsent. Athleten sind wahre Litfasssäulen, wandelnde Werbeplakate für alle möglichen Firmen-Sponsoren. Je populärer eine Sportart und je mehr Medienpräsenz sie geniesst, umso lukrativer sind die Sponsorenverträge. Als Gegenleistung setzt sich dann auch mal ein Schwingerkönig zu Werbezwecken an die Ladenkasse eines Grossverteilers.

Und die Unternehmen werben gerne, denn sie sind genauso auf Bekanntheit und Kaufwillige angewiesen, wie die Veranstalter auf zahlende Besucher.

Psychologische Verkaufstricks

Um all die produzierten Dinge an den Mensch zu bringen, werden immer subtilere Methoden eingesetzt. Emotionen sind dabei das A und O, meint ein Branchenmagazin für Marketing und Kommunikation: „Menschen kaufen keine Produkte. Sie kaufen ein gutes Gefühl und die Aussicht auf eine Belohnung“. Dank Neurowissenschaft wissen wir, wie unsere Motivation funktioniert. Werbung macht sich dieses Wissen deshalb zunutze: „Die Hirnforschung ist sich einig: Der freie Wille ist eine Illusion. Wenn wir eine Entscheidung treffen, ist sie meist längst schon gefallen. Denn die Macht des Unbewussten ist weit grösser als die meisten Menschen ahnen. Mehr als 80 Prozent aller (Kauf-)Entscheidungen werden unbewusst getroffen, so der renommierte Neuromarketing-Experte Hans-Georg Häusel … Der Psychologe Wolfgang Prinz konstatiert hierzu treffend: ‚Wir tun nicht, was wir wollen, sondern wir wollen, was wir tun.'“

Beispiele gefällig?

  • Kauflust durch Duft: Die Verkaufsstände von Brezelkönig locken mit dem verführerischen Aroma frisch gebackener Brezeln hungrige Passanten an. Trick: Multisensorische Botschaften werden schneller aufgenommen, besser verinnerlicht und bleiben länger im Gehirn verankert.
  • Kauflust durch Knappheit: Zeitliche beschränkte Aktionen oder Countdowns beim Online-Einkauf drängen zum schnellen (unüberlegten) Kauf. Trick: Ausnutzung der Angst etwas zu verpassen („Fear of missing out“).
  • Kauflust durch Symbole: Ein mit Marlboro-Farben und Logoelementen ausgestalteter Raum stimuliert zum rauchen. Trick: Konsum wird an Wiedererkennung und Emotionen gekoppelt.

Werbung ist deshalb immer auch manipulativ. Ja, sie muss es sein (oder zumindest versuchen). Denn die Millionen Waren müssen ihren Weg zu den Verbrauchern finden. Wenn sich die Werbe-Milliarden nicht mehr lohnen, dann floriert auch unsere Wirtschaft nicht und unser Wohlstand ist gefährdet.

Halten wir also fest:
Marketing spielt eine entscheidende Rolle dabei, Produkte und Dienstleistungen zu fördern und Kaufentscheidungen zu beeinflussen. Firmen sind auf Werbung angewiesen, sobald sie ihre Produkte und Dienstleistungen an Märkten verkaufen. Denn an Märkten muss sich das Unternehmen der Konkurrenz und dem Wettbewerb stellen. Nur Ausdauer, Durchbeissen und Spitzenleistung führen zum Erfolg – so lautet zumindest das Credo, wenn Marketing im Spiel ist.

Auch wenn Werbung nicht wirklich geliebt wird, ja, wir sie vielleicht als unangenehm, störend oder sogar als belästigend empfinden: Eine Welt ohne Werbung ist heute kaum mehr denkbar. Zuviele, für uns wichtige Dienstleistungen werden über Werbung finanziert (hier eine aktuelle Kontroverse aus Bern dazu).

Aber lassen wir uns noch nicht geschlagen geben. Überlegen wir noch etwas weiter.

Warum ist Werbung notwendig?

Konkurrenz und Wettbewerb sind der Grund für Werbung. Aber warum ist Konkurrenz und Wettbewerb denn überhaupt notwendig? Um was wird denn hier eigentlich konkurriert? Konkurrenz entsteht doch nur, wenn etwas limitiert ist. Und was in unserer Welt ist so limitiert, dass Marketer eingeschaltet werden müssen, damit ihnen Unternehmen einen Vorteil gegenüber anderen verschaffen? Gibt es einfach zuwenig Konsumenten, also Menschen auf Welt? Wohl kaum.

Das Ziel von Werbung ist, Produkte an Kauflustige zu verkaufen. Und wozu das Ganze? Weil die Firmen uns damit bereichern und Freude bereiten wollen? Na ja, gemäss Werbung schon. Aber es steckt natürlich auch die banale Absicht dahinter, dass die Käufer dafür Geld über die Ladentheke schieben. Um diesen entscheidenden Vorgang geht es ja schlussendlich. Für den Umsatz, also für die Einnahme von genügend Geld, muss ein Unternehmen immerwährend kämpfen. Geld ist deshalb der gesuchte limitierende Faktor! Und Marketing – so das Versprechen – hilft durch die Akquise von mehr Kunden, auch mehr Geld einzutreiben.

Wenn wir uns eine Welt ohne aufdringliches Marketing wünschen, dann dürfte deshalb im Umkehrschluss Geld kein limitierenden Faktor mehr sein. Aber was wären dann die Folgen für unsere Wirtschaft? Wie würde sich dies auswirken und wie funktionieren?

Was meint ChatGTP dazu?

Fragen wir doch mal die Künstliche Intelligenz ChatGPT:

Hey ChatGPT. Wir haben soeben herausgefunden, dass in unserer Wirtschaft Geld als limitierender Faktor für Konkurrenz und Wettbewerb verantwortlich ist und Unternehmen deshalb zu Marketing greifen müssen, um ihre Produkte an Konsumenten zu verkaufen, bevor es ein anderes Unternehmen tut. Da auf diese Weise Unternehmen immer unter Druck stehen und Konsumenten durch Werbung manipuliert werden, fragen wir uns, wie denn eine Wirtschaft aussehen würde, wenn Geld kein limitierender Faktor mehr wäre, Konkurrenz und Wettbewerb überflüssig würden und es für Marketing damit keinen Anreiz mehr gäbe?

ChatGPT: In einer Wirtschaft ohne Geld als limitierenden Faktor könnten Unternehmen mehr Ressourcen in die Produktverbesserung investieren, ohne ständig unter dem Druck des Wettbewerbs zu stehen. Der Fokus könnte sich auf die Qualität der Produkte und die Bedürfnisse der Verbraucher verlagern. Ohne finanzielle Einschränkungen könnten Unternehmen kooperativer arbeiten, Ideen teilen und gemeinsam innovieren, um das Beste für die Gesellschaft zu schaffen. Kunden könnten Produkte basierend auf ihren tatsächlichen Bedürfnissen wählen, ohne von aufdringlicher Werbung beeinflusst zu werden. Eine solche Wirtschaft könnte mehr auf Nachhaltigkeit, sozialer Verantwortung und kollektivem Wohlstand basieren, anstelle von ständigem Wettbewerb und Marketingdruck. Es würde wahrscheinlich eine Umgestaltung der Werte und Prioritäten in Richtung Gemeinwohl geben.

Oooooh, genaaau! So stellen wir uns doch die ideale Welt in unseren Träumen vor! Bleibt noch die kleine feine Frage: Wie kommen wir dahin?

Und wie bekommen wir es hin, dass Geld kein limitierender Faktor mehr ist?

ChatGPT: Die Abschaffung der Begrenzung durch Geld in der Wirtschaft ist eine komplexe Herausforderung, die tiefgreifende Veränderungen erfordert. Hier sind einige Ansätze, die diskutiert wurden:

  1. Ressourcenbasierte Wirtschaft: Ein Übergang zu einem System, das die effiziente Nutzung von Ressourcen betont, statt auf Geld als Tauschmittel.
  2. Basis-Einkommen: Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens, um finanziellen Druck zu mindern und Freiheit bei der Entscheidung über Arbeit und Lebensstil zu ermöglichen.
  3. Gemeinwirtschaftliche Modelle: Betonung von gemeinschaftlichem Eigentum und Entscheidungsfindung, um die Rolle des Geldes zu reduzieren.
  4. Postwachstumsökonomie: Verlagerung weg von einem wachstumsorientierten Modell hin zu Stabilität, Umweltschutz und Lebensqualität.
  5. Lokale Experimente: Durchführung von kleineren, lokalisierten Projekten, um neue Modelle zu testen und zu verstehen, wie sie auf größere Gemeinschaften oder sogar auf nationale Ebenen angewendet werden könnten.

Ein solcher Wandel erfordert breite gesellschaftliche Unterstützung und politische Veränderungen. Es ist wichtig, dass Diskussionen, Experimente und Pilotprojekte mit Vorsicht und einer klaren Vorstellung von den möglichen Auswirkungen durchgeführt werden. Die Akzeptanz und Umsetzung solcher Veränderungen hängt von verschiedenen Faktoren ab, einschliesslich politischer Willensbildung, Bildung und kulturellen Normen.

Na bitte! Zwar lässt sich Werbung und Marketing wohl nicht einfach so abschaffen. Aber als Nebenerscheinung eines fortlaufenden Ausstiegs aus den bestehenden marktwirtschaftlichen Zwängen, würde der Druck dazu kleiner. Und übrigens: Unsere eingangs erwähnten Direkt-ab-Hof Verkäufe und Solawis sind bereits Umsetzungen dazu!

Anmerkungen zu ChatGPT:

Laut Angaben von ChatGPT stammt sein eigenes Wissen aus einer breiten Palette von Quellen (Büchern, Artikeln und Websites), die bis Januar 2022 reichen. Seine Fähigkeit, Informationen zu verknüpfen und Antworten zu generieren, beruht auf einem maschinellen Lernansatz namens „transformer-based  language model“. Das Modell GPT-3.5, mit dem die Antworten generiert wurden, verwendet 175  Milliarden Parameter, um Kontexte zu verstehen und menschenähnliche Texte zu generieren. Seine Arbeit liegt in der Analyse von Mustern und  Zusammenhängen in den Daten, auf die er zugreifen kann. Es versucht, die Struktur und den Kontext einer Anfrage zu verstehen und dann eine  passende Antwort basierend auf Trainingsdatensätzen zu generieren. Es ist wichtig zu beachten, dass es keine eigenen Überzeugungen, Meinungen oder Emotionen hat, sondern lediglich Informationen interpretiert und bereitstellt.

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Werner Schuller

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