a group of people outside a building

Visionäre Ansätze für klimafreundliche Städte – Mit zwei Aktionspfaden ans Ziel

Aus vier explorativen Szenarien kristallisierten sich zwei Aktionspfade, um ambitionierte Klimaziele innerhalb einer Stadt zu erreichen. Beide dieser Aktionspfade skizzieren den Weg einer Transformation und sind vielversprechend: Green Growth (Grünes Wachstum) oder Commons Transition (Gemeingüter-Transition).

Sowohl die vier statischen Szenarien, welche im letzten Artikel vorgestellt wurden, wie die zwei ambitionierten Aktionspfade können uns dabei helfen, Visionen für eine tragfähige und klimafreundliche Vision für die Schweiz zu träumen. Das australische Forschungsprogramm hat die zwei Aktionspfade entwickelt, um plausible Wege aufzuzeigen, wie die Vision einer dekarbonisierten Stadt Wirklichkeit werden kann.

Green Growth – Transformation durch Innovation

aerial photography plaza with trees and buildings

Der Aktionspfad Green Growth (deutsch: Grünes Wachstum) verfolgt eine marktwirtschaftliche Strategie zur Emissionsreduktion, bei der Unternehmen und Regierung innerhalb bestehender ökonomischer Rahmenwerke zusammenarbeiten, um durch gezielte Anreize Öko-Technologien und effiziente Produktionsweisen zu fördern. Urbane Bewegungen bauen starken politischen Druck auf, sodass fossile Industrien delegitimiert werden und eine hohe gesellschaftliche Akzeptanz für den Wandel geschaffen wird.

Der Konsum bleibt hoch, wird jedoch durch CO₂-Budgets und digitale Anreizsysteme gelenkt, wodurch klimafreundliche Entscheidungen wirtschaftlich attraktiv werden. Die hohe Nachfrage nach klimafreundlichen Gütern treibt eine entsprechende Angebotsentwicklung an. Auch strenge Regulierungen, CO₂-Bepreisung und Subventionen treiben die Dekarbonisierung voran. Grosse Unternehmen verwalten die urbane Infrastruktur und skalieren nachhaltige Innovationen. Die Automatisierung und datengetriebene Steuerung optimieren Ressourcennutzung, während Städte durch lokale erneuerbare Energien und nachhaltige Mobilitätskonzepte mehr Autonomie gewinnen.

Commons Transition – Transformation durch Teilhabe

a man and a child looking at a plant

Für den Aktionspfad Commons Transition (deutsch: Gemeingüter-Transition) stehen die Bürger:innen der Stadt im Zentrum, welche zu aktiven Gestalter:innen der sozialen und ökologischen Transformationen werden. Diese Neuausrichtung setzt auf Selbstverwaltung und führt zu einer erheblichen Senkung der Emissionen durch nachhaltigere Produktion und der sinkenden Nachfrage nach Konsumgütern. Eine effiziente Kreislaufwirtschaft wird gefördert und der Konsum geht aufgrund eines Wertewandels signifikant zurück.

Durch dezentrale Peer-to-Peer-Netzwerke, Kooperativen und gemeinschaftliche Plattformen wird die Nutzung und Verwaltung von Ressourcen kollektiv organisiert. Energie- und Lebensmittelversorgung werden kooperativ organisiert, wodurch nachhaltige Landwirtschaft und erneuerbare Energien gefördert werden. Auch öffentliche Räume und Infrastruktur werden als Gemeingüter verwaltet und genutzt. Durch Open-Source-Technologien und dezentrale Produktion werden gemeinschaftliche Innovationen gefördert. Die Regierung agiert als „Partnerstaat“ und unterstützt Gemeingüter-basierte Systeme, während die Bürger:innen durch direkte Demokratie und gemeinschaftliche Entscheidungsprozesse die Stadtgestaltung bestimmen.

Wie die Aktionspfade unseren Visionen helfen können

Beide Aktionspfade würden es Städten erlauben, ihre ambitionierten Klimaziele zu erreichen. Die gute Nachricht ist, dass die notwendigen Technologien und Konzepte bereits vorhanden oder zumindest vorstellbar sind. Wir dürfen sie also getrost in unsere eigene Vision einer lebenswerten Zukunft integrieren. Jedoch gibt es bei den Aktionspfaden einige Unterschiede sowie auch Gemeinsamkeiten zu beachten. Ihr Hauptunterschied liegt darin, ob die Emissionsreduktion durch Veränderungen bei der Produktion (Green Growth) oder beim Konsum (Commons Transition) geschieht. Der Aktionspfad Commons Transition erreicht insgesamt eine grössere Reduktion als der Aktionspfad Green Growth. Gleichzeitig haben die Aktionspfade einige Gemeinsamkeiten:

  • Ein rascher Ausstieg aus fossilen Energien
  • Reduktion des Energieverbrauches um 50%
  • Weniger Verbauung und dafür Ausbau andere Landnutzungsformen, die CO2 binden können, wie nachhaltige Landwirtschaft und Begrünung von Städten
  • Elektrifizierung von Mobilität
  • Reduktion von Konsum und Export von emissionsintensiven Gütern
  • Starke Verminderung von Abfallströmen, Aufheben von Mülldeponien und Einführung der Kreislaufwirtschaft
  • Abholzungsstopp und stattdessen mehr Aufforstung, Waldschutz und Waldregeneration

Realistische Wege für die Schweiz?

Die Technologien unterscheiden sich nicht grundlegend zwischen den beiden Aktionspfaden. Unterschiede finden sich in der Art und Weise, wie die Technologien angewendet werden und wer davon profitiert. Beide Aktionspfade erfordern signifikanten politischen und kulturellen Wandel. Für viele dürfte der Aktionspfad Grünes Wachstum näher an der heutigen Realität einer Schweizer Stadt liegen und daher plausibler erscheinen. Die Autor:innen hinter dem australischen Forschungsprogramm sehen diesen Aktionspfad als eine Einladung an Städte und ihre Akteure nicht auf nationale Regulationen zu warten, sondern zu beginnen, die erforderlichen Wendepunkte selbst anzustossen.

Der Aktionspfad für Commons Transition erscheint befragten Stakeholdern als weniger erreichbar, weil es sich vom Wirtschaftswachstum als Fortschrittsbarometer verabschiedet und eine Postwachstumsgesellschaft einläutet. Doch es ist nicht ausgeschlossen, dass dieser Aktionspfad in der Bevölkerung populärer wäre.

Mit den vorgestellten vier Szenarien und den zwei Aktionspfaden wurde ein Werkzeugkasten skizziert, mit dem wir unsere Zukunft träumen und gestalten können. Sie sollen Impulse für konkrete Schritte zur Verwirklichung einer Vision geben. Nun geht es darum, die aufgezeigten Möglichkeiten zu reflektieren und dann einen Entschluss zu wagen, welchen Pfad wir selbst bereit ist, aktiv einzuschlagen.


Quelle: Candy, S., Larsen, K., Twomey, P., McGrail, S., & Ryan, C. (2017). Pathways 2040. Results from Visions and Pathways 2040: Scenarios and Pathways to Low Carbon Living. Melbourne, Australia

Bild von Evelyn Frischknecht

Evelyn Frischknecht